Seit dem 23.09.2017 bin ich nun auf Instagram (IG). Hinter mir liegen ereignisreiche und lehrreiche Wochen mit vielen Emotionen, guten wie schlechten. Dass ich dort noch einmal beginne, mich selbst zu therapieren, hätte ich nie vermutet. Wie für mich auf IG aus dem Fremdgefallen ein Selbstgefallen wird, wie ich mich von 20-25 jährigen Bitcoin-Unternehmern, High-Achievern, Life-Coaches oder Influencern emanzipierte, eine produktive Sinneskrise nach vier Wochen hatte und bunte Bilder mit Zitaten eigentlich immer noch nicht mag, aber inspirierend finde, dafür Authenzität mit meinem „Gemischtwarenladen“ auf IG gefunden habe, erfahrt Ihr jetzt.
Vorweg jedoch noch eine Bemerkung, die ich loswerden möchte. Alle und alles haben eine Daseinsberechtigung auf IG. Ich schildere hier meine ganz persönliche Sicht auf Personengruppen, Sachthemen, Hahtags, die ich mag oder aber eben auch nicht. Nicht böse sein, Euch gefällt ja bestimmt auch nicht alles bei mir..!! Danke für das Verständnis!!
Nun aber:
Seelentröster
Fast schüchtern stellte ich mein erstes Nordsee-Bild auf Instagram ein, ohne Hashtag, ohne Schnickschnack, gespannt, was mich erwartete. Ich blieb am Bildschirm. Nichts passierte. Okay ich widmete mich anderen Dingen. Es passierte wenig, ich stellte den nächsten Beitrag, diesmal mit Hashtags. Es kamen „Likes“. Die Euphorie war groß…! Was Ihr wissen müsst: ich hatte und habe mit Selbstwertproblemen zu kämpfen und war vor meinem Burnout nur noch für Fremdwertschätzung empfänglich, Sie hielt mich hoch. Genauso ging es hier auch wieder los. Wenn Du was tust, bekommst Du hier „Likes“, die Leute mögen Dich. Du fängst an Content zu produzieren, den Leute mögen, damit Du „Likes“ generierst. Für Deinen Selbstwert.
Seelenverkäufer
Wie Ein Junkie probierte ich verschiedene Themen, Fotomotive aus, um an den „Like-Stoff“ zu kommen, der meiner Seele so gut tat. Ich war wie im Rausch, Tag und Nacht grübelte ich, was kannst Du an Content liefern, der Dich „tröstet“? Ich hatte viel vor, aber keinen Plan. Im Endeffekt habe ich mir selbst eine Arbeitssituation geschaffen, die meine ganzen schädlichen Verhaltensmuster aus der realen Arbeitswelt einfach nur in die virtuelle Welt übertrug. Ich begann mich schon wieder energetisch auszubeuten. Schlaflos, gucke nachts auf mein Handy, ob ich „Likes“ hatte…. Puh. Nach vier Wochen (!) dämmerte es mir, dass hier gerade etwas falsch lief… Ich hatte nichts gelernt. Scheinbar.
Was ich jahrelang kopftechnisch wusste, habe ich hier das erste Mal verinnerlicht: Ich mache mich hier für andere Leute, die ich gar nicht kenne zum Horst, nur um mich gut zu fühlen. Liebe gegen Schmerz! Eigenpräsentation gegen Fremdlob. Kann nicht gutgehen. Für Außenstehende war das bestimmt von vornherein glasklar, ich habe mich diesbezüglich das erste Mal begriffen. Für mich war es eine schwerwiegende, sehr hilfreiche Entscheidung. Mit dieser Betrachtungsweise, nahm ich mir den Druck zu gefallen. Ich dachte an mich. Ich wollte eigentlich Spaß bei IG haben. Meine Beiträge und Fotos wurden dadurch schlagartig selbstbewusster.
Dauerwerbesendung
Irgendwie musst Du Dich aber doch bemerkbar machen, Du willst Doch groß rauskommen, mit Deinem Ansinnen. Du guckst, Du recherchierst, schaust nach wie andere das bei IG so machen, um für Dich zu lernen. Du bekommst ziemlich schnell mit, wie es hier läuft. Jemand liked 30 Deiner Fotos, Du gehst euphorisiert auf seine Biographie und likest ihn, Du machst das genauso bei anderen und kriegst „Likes“. Du folgst dann auch anderen, die sich mit dem Thema beschäftigen, diese folgen Dir. Ich habe mich dann oft per Kommentar gemeldet, um mitzureden, die Resonanz war gering. Aber alle gaben in diesen Threads ihre Meinung kund. Eine Diskussion entstand nicht nur Dialekte der gleichen Botschaft.
Genervt und enttäuscht nicht dazuzugehören und von den Großen dieser jener „Coaching- und Mindsetblase“ (objektiv belegt), kam ich dem nächsten guten Entschluss: beweihräuchert Euch selbst und dreht Euch im Licht Eurer Erkenntnisse und Zitate. Befeuert Eure Blase und followt Euch in ungeahnte Höhen. Ja ich war beleidigt und gekränkt, sonst würde ich nicht so flapsig schreiben. Ich war es jedoch nur kurz. Mich derart künstlich präsent zu zeigen und nicht aus der Blase raus zu können war mir a) zu langweilig und b) zu einseitig. Vielleicht habe ich den Teil von Instagram ja auch nicht verstanden, will ich aber auch gar nicht mehr. Ich habe meinen Weg hier gefunden. Ja richtig gelesen: MEINEN Weg!
Bildlastigkeit
Was ich die ersten Wochen gar nicht verstand, dass es kaum Kommentare unter den Bildern gab. Viele haben unter ihre Bilder tolle Texte geschrieben, keine Resonanz. IG ist also ein optisches Medium, in dem man am Besten seine Botschaft im Bild platziert, um nicht gnadenlos weggescrollt zu werden. Ich glaube so entstehen hier die ganzen bunten Bildchen mit Weisheiten, Zitaten, Mantren und und und. Zuerst war ich erschlagen, konnte gar nicht alle erfassen und war schlichtweg überfordert. Ich fand diese ganzen Bilder zwischenzeitlich echt nervtötend und langweilig. Zitate auf bunte Bilder klatschen kann ich auch, mache ich manchmal auch selbst, wenn ich keine kreative Phase habe, mich aber trotzdem mitteilen will. Es gibt aber auch die testosteronlastigen Sprüche à la „Du kannst mit Deinem Kopf ein Loch in die Wand bohren, wenn Du nur willst!“. Das ist das andere Extrem dieser Blase. Mittlerweile scheine ich einen Mittelweg gefunden zu haben: ich filtere die guten beim Überfliegen heraus, lese sie und denke darüber nach. Die emotionale Bewertungsschiene dieser bunten Bildchen habe ich überwunden. Das macht das Ganze wieder erträglicher. Wieder ein Punkt für mich! Grenze Dich ab, mach dein Ding!
4 Beiträge, 174,5 Tsd. Follower
Eine andere Spezies, die auf IG wildert, sind meiner Meinung nach 23 Jährige Bit-Coin-Milliardäre, High-Achiver, und jetzt kommt’s: Lebenscoaches, die beliebig auf deine Beiträge klicken, einen Daumen hoch oder „Super Profil, weiter so!“ posten. Na klar geht man das Profil besuchen, wo dann eben oben genannte Zahlen stehen begleitet von muskelbepackten, sonnengebräunten Körpern in der Sonne Dubais. Wow, wenn ich von diesem suggerierten Ego nur drei Promille abbekommen würde, wäre ich geheilt..!! Sie folgen Dir natürlich gleich, ziehen ihre Abos aber nach spätestens drei Tagen wieder zurück. Solche Leute kenne ich nun auch und lächle. Das hilft nämlich. Immer! Würde mich nicht wundern, wenn es in China oder Nordkorea günstige Agenturen gibt, die einem die „Likes“ verwalten. Naja wer’s braucht. Ich merkte für mich letztendlich, wie normal ich doch eigentlich bin, und das nahm mir wiederum den Druck. Du kannst und willst Dich gar nicht dermaßen produzieren, Dich verstellen, um gemocht zu werden. Erfolgsorientierte Menschen denken, ich habe es nicht geschafft. Ich denke, ich habe mich hier so zurechtgestutzt, eingerichtet, dass es mir Spaß macht…
Mein Instagram
Das war für mich also eine ganz schön emotionale, erkenntnisreiche Lehrzeit bei IG. In dieser „Lehrzeit“ habe ich sehr viel über mich verstanden, mich verändert und auch meine Scheu verloren. Ich schreibe jetzt offener und öffne mich auch anderen wesentlich mehr. Eine Authenzität, die einem professionellen Marketing nicht entspricht. Egal, was ich hier auf IG mache kommt dafür von Herzen. Ich schreibe, was mir gerade in den Sinn kommt, zeige Fotos, Gedanken, stelle Fragen. Ich bin wieder mehr bei mir selbst..!! Und das ist das Schönste! Wenn mir etwas gefällt, poste ich es direkt, ich texte „Wildfremde“ zu, wenn mir danach ist, natürlich immer themenbezogen, bin doch kein Stalker! Ich möchte hier Spaß haben, mich mitteilen, gute Laune verbreiten und mich auch mit anderen austauschen. Mit diesem Ansatz macht mir IG auch Freude, die ich gerne weiter gebe.
Ich habe hier viele nette Leute kennengelernt, mit denen ich mich so unterhalte, mit denen ich mich über das Thema Depressionen / Burnout rede, mit denen ich mich über Fotografie austausche etc. Viele haben mich ermutigt, mich angefeuert, mir Tips gegeben. Ich hätte das nicht für möglich gehalten. Es kommt Authenzität zurück, mit der ich viel besser umgehen kann.
Vielen Dank, dass es Euch gibt, Ihr wisst, wen ich alles meine, bleibt mir treu, ich bleibe es auch.
Auf uns…!
Lächeln hilft. Immer!
Leuchten. Nicht brennen!
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Vielen Dank, Du sprichst mir in so vielen Dingen aus der Seele 👍🤗 Vor allem diese Leute, die nur auf Follower aus sind, haben mich die ersten Tage extrem empört 😄 stolz wie Oskar, dass jemand mir folgt und dann verschwindet der einfach wieder 😨 gut, dass ich glücklich verheiratet und nicht mehr 20 bin, sonst hätte mich der Dislike dieser jungen, durchtrainierten Männer in eine Depression gestürzt 😄
Dadurch bin ich aber schnell auf den Trichter gekommen like4like oder follow4follow, das ist nichts für mich. Diese Profile, die mir völlig überraschend folgen, sehe ich mir mal schnell an ob es mich womöglich interessiert und das war’s dann.
Mein Grundsatz ist, ich folge, wenn es mich interessiert, ob derjenige mich abonniert oder nicht oder als erstes abonniert hat, ist mir egal.
Ich bin auf IG um Spass zu haben, nette Leute „kennenzulernen“, sinnige oder unsinnige Kommentare zu lesen, zu schreiben, um Denkanstösse zu bekommen, bunte Bildchen zu gucken. Ich gebe zu, jetzt war ich ein paar Tage krank und habe den Konsum etwas übertrieben, aber da IG für mich noch neu ist, wird sich das auch wieder legen.
Ich wünsche Dir noch viel Spass an IG und am „echten“ Leben, herzliche Grüsse Claudia
P.S. ich bin einer Deiner Follower auf IG 😉
Hallo Claudia,
danke für Deinen langen Beitrag. Ich fürchte unsere Erfahrung bei IG muss jeder machen. Selbst, wenn man so etwas vorher liest, denkt man doch: Nicht bei mir….! Mit einer gesunden Distanz und Authenzität ist dem Ganzen hier aber ein Kraut gewachsen….!! Viele schöne Stunden im Netz der Eitel- und Heiterkeiten.
Viele Grüße
Matthias