Angekündigt habe ich den Beitrag über Aikido schön länger, jetzt kommt er.
Was ist Aikido?
Über Aikido lässt sich bücherweise schreiben, was es ist, was es ausmacht, wie man persönlich daran wächst. Ich gebe Euch kurze meine Erklärung dazu, bei weiterem Interesse fragt mich oder Google. Aikido als Kampfsport ist eine reine Selbstverteidigungs-Sportart. Dabei enthält Aikido Elemente aus vielen anderen, althergebrachten japanischen Kampfsportarten. Erfunden wurde es anfangs des 20. Jahrhunderts von einem Herrn Ueshiba Moirhei (1883 – 1969).
Die drei japanischen Silben Ai, Ki und Do heißen übersetzt „Weg zur Harmonie der Kräfte“. Und da sind wir schon mitten im Thema. Es hört sich für mich schon esoterisch an, so mit Harmonie und den Weg dahin. Das habe ich erst nach ein paar Monaten Praxis verstanden. Aikido ist insofern defensiv und ökonomisch höchst effizient, da nur die Energie, die ein potenzieller Angreifer in seine Attacke steckt, benutzt wird. Ich als Verteidiger stecke eigentich keine Kraft in die Abwehr. Die dabei entstehende Energie wird durch verwirrend vielfältige Techniken umgelenkt, dass weder der Angegriffene, noch der Angreifer zu großem Schaden kommt. Durch diesen vergleichsweise sanften Ansatz, soll der Angreifer überzeugt werden, dass es sinnlos ist, weiter anzugreifen. Seine Energie wird bei jedem weiteren Angriff immer wieder neutralisiert. Nicht falsch verstehen. Mit den Techniken kann man auch böse Schäden anrichten, wenn man sie mutwillig offensiv anwendet. Das Ziel von Aikido ist aber im Grunde eine passive „Gewaltvermeidung und -beendigung“. Wie auch in anderen Kampfsportarten gibt es auch hier verschiedene Prüfungen, die die Fortschritte, die man macht, belegen. Ab den „Dan“-Graden (also ab den Meisterrängen) darf man einen schwarzen Hakama tragen, ein Relikt aus der Bekleidung der Samurai.
Eigentlich wollte ich ja meinen Studienfreund beim Judo begleiten, leider haben die Damen und Herren vor den Judoka trainiert. Mir hat es eben dieser Hakama angetan. Ohne es da bereits zu wissen, war DAS schon meine Kampfsportart.
Wieso ich und Aikido?
In der Tagesklinik wurde mir empfohlen eine Kampfsportart zu betreiben. Ich weilte in einem Stadium fernab von jeglicher Körperwahrnehmung, geschweige denn Selbstwahrnehmung. Kampfsport betreiben eine gute Möglichkeit, seinen Körper und seine Wahrnehmungen wieder zu erlangen und zu verbessern. Nachdem der Schock verdaut war, befasste ich mich mit den Kampfsportarten. Taekwondo schied nach einem Probetraining aus, da mir das Geschreie und dieses Herumgefuchtele nicht gefiel. Aus gleichem Grund strich ich Karate von der Liste.
Mein bester Freund war gerade dabei, wieder mit Judo anzufangen. Ich also mit zum Probetraining. Auch das gefiel mir nicht so richtig. Dieses ewige Rumgezerre am Anzug, das Bein stellen und das Gerangel am Boden, um einen Vorteil zu erzielen. Ich hatte immer dieses Bild im Kopf: was machst Du eigentlich, wenn der sich jetzt mit seinem Bratarsch im Eifer des Gefechts auf Dein Gesicht setzt und vor lauter Anstrengung einen fahren…. ? Naja, die Aikido-Leute hatte ich ja schon gesehen. In der nächsten Woche gingen wir dann zum Aikido-Probetraining. Der Anfang des Trainings war eine kniende Aufreihung der Schüler vor dem Meister (Sensei). Es folgte eine Konzentrationsphase von maximal zwei Minuten, dann wurde mit einer abschließenden Verbeugung das Training gestartet. Was folgte waren, unverständliche, nicht erklärte Bewegungsabläufe mit den Füßen diagonal zueinander, am Handgelenk packen, gerader Schlag auf den Kopf, am Revers zerren, Drehungen, Verbiegungen und und und.
Mir war echt nicht gut zumute, mental und körperlich war ich nach eineinhalb Stunden platt. Mein Freund meldete sich ab, nie wieder sagte er, viel zu kompliziert…!! Ich dachte dies auch, mich faszinierte aber zum Einen dieser schwarze Hakama (den wollte ich immer noch haben) und diese Eleganz der Bewegungen, wenn man die Übungen beherrscht. So ähnlich wie beim Golf und dem perfekten Abschlag. Wenn alles passt, macht es ein sattes Klack, der Ball hebt ab. Andernfalls zerspringt Dein Handgelenk. Und es war nicht dieses wettkampfbetonte „Einen auf die Matte“ hauen…. Trotz aller negativen Vorzeichen blieb ich dabei. Ich habe im April 2017 angefangen, jetzt im Dezember 2017 kann ich behaupten die Basics, aber wirklich nur die Basics verstanden zu haben, und einigermaßen sicher abrollen zu können.
Mein Aikido
Ja, mit Aikido habe ich einen Sport gefunden, der mir Spaß macht, mich weiterbringt und öffnet. Ich bin nun mal kein Wettkampftyp, eher ein Teamplayer. Deswegen fehlt mir auch dieser Killerinstinkt und der Wille jemanden zu besiegen bzw. auf die Matte zu knallen, wie man es zum Beispiel beim Judo, Karate oder Taekwondo zelebriert.. Diese rein defensive Ausrichtung liegt mir mehr. Man wechselt zwischen den Rollen Angreifer und Verteidiger. Vier mal ist man Angreifer und greift abwechselnd mit rechts oder links an, lässt sich dann vom Verteidiger (der eigentliche Schüler) neutralisieren. Danach ist man selbst der Verteidiger und muss die Techniken zur Gegnerneutralisierung am Angreifer anwenden.
Nach jeder Übung wird der Partner gewechselt. Da jeder Mensch anders angreift oder verteidigt, entwickelt man mit steigender Erfahrung ein Gefühl für verschieden Körperspannungen, Körpergrößen und Geschwindigkeiten. Die Schüler mit mehr Erfahrung nehmen sich viel Zeit (und Geduld), um einem Neuling die Tricks und Kniffe zu erläutern, auf die man bei der Ausführung achten muss. Ich merkte aufgrund der Rückmeldungen, dass ich viel zu verspannt sei und die Übungen mit Kraft mache und dies nicht Sinn der Sache sei. Ich merkte nach und nach welche Schritte, Bewegungen und Hebel bei gewissen Übungen sinnvoll sind.
Ferner hatte ich anfangs echt Respekt andere Leute so nahe auf die Pelle zu rücken und diese auf die Matte zu schicken. Ich merkte wie distanziert ich war. Ferner musst Du Deinen Gegner immer fixieren. Das heißt, man hält auf kürzester Distanz ständigen Augenkontakt. Ich lerne als Verteidiger auch stets seinen Körper so zu bewegen, dass der Gegner keine Lücke findet. Da ich ziemlich gewaltlos und prügelfrei aufgewachsen bin, merkte ich auch, dass ich in keinster Weise kriminelle Energie zum Verletzen eines Menschen hatte: ich besitze keine Angreifer-Brille..! Die Anzahl der Angriffe und der Verteidigungstechniken ist für mich schier unüberschaubar, weswegen ich am Ende einer Stunde immer mental wie körperlich fertig bin.
Persönliches Fazit
Es gibt gute und schlechte Trainingseinheiten. Die ersten Monate waren echt frustrierend, da nichts klappen wollte. Ich arbeite somit auch ständig an meiner Frustrationstoleranz und lernte Unperfektion zu tolerieren. Umso größer ist die Freude, wenn eine Einheit erfolgreich war. Man muss motiviert bleiben und üben, üben, üben. Ohne dem geht beim Aikido nichts.
Ich habe mich durch das Aikido körperlich, mental und persönlich öffnen können. Meinen Körper nehme ich besser wahr und kann ihn viel besser koordinieren. Ich werde selbstsicherer durch Augen- und Körperkontakt (hört sich doof an, ist aber so) und durch die Gewissheit Angriffe abwehren zu können. Der Hakama ist noch ganz weit weg, aber hier ist der Weg das Ziel. Vielleicht auch was für Dich?
Bei Bedarf mehr Infos unter:
http://www.aikikai.de oder https://aikido-bund.de
Wenn wir schon von Japan sprechen:
Lächeln hilft. Immer!
Leuchten. Nicht brennen!
Was kann ich sonst noch für Dich tun?